Kleine aktuelle Faktensammlung: Wir müssen Corona weiterhin ernst nehmen – und bitte installiert die Corona-Warn-App

Deutschland macht sich echt gut, auch im internationalen Vergleich mit anderen Ländern, die ebenso eine funktionierende Regierung haben (Länder ohne handlungsfähige bzw. handlungswillige Regierung wie USA oder Brasilien sind sowieso ganz anders dran, ebenso wie Länder, die nicht die Ressourcen haben, das Virus erfolgreich zu bekämpfen).

Aber es darf nicht der Eindruck entstehen, wir hätten es geschafft. Das Virus ist nicht besiegt bei uns. Es ist immer noch da, überall, und zwar sogar noch flächendeckender und mehr über alle Bevölkerungsgruppen verbreitet als vor der ersten Welle im März. Nur halt sehr unsichtbar gerade.

In Mittelfranken hatten wir nur ein paar Handvoll neue “Fälle” in den letzten 1-2 Wochen. Wir wissen aber, dass das nicht die ganze Wahrheit ist. In Deutschland dürfte es statistisch berechnet es ca. 1,5 Mio Infektionen seit Januar (Quelle) gegeben haben, das RKI meldet aber nur knapp 200.000 “Fälle” (Quelle). Auch in den Ländern wie Deutschland, die viel testen, gibt es 5 bis 10-mal so viele Infektionen wie die jeweils offizielle Statistik zeigt. Wir dürfen uns also nicht in Sicherheit wiegen und alles einfach wieder so machen wie früher.

“Wir sehen jetzt, dass das Virus wieder kommt…”

Christian Drosten (Podcast 50)

Wenn wir jetzt zu viel lockern (wahrscheinlich) und einige in ihrem Verhalten nachlässig werden (sicher), fällt uns das bald auf die Füße. Christian Drosten sagte in seinem Podcast gestern: “Wir sehen in Berlin und an anderen Orten in Deutschland, dass das Virus wieder kommt.”

Zeit nochmal ein paar Fakten zusammenzutragen und sich klar zu machen, was jeder von uns für seine eigene Gesundheit und für den Verlauf im Land tun kann.

Israel hatte es “geschafft”, und dann…

In Israel hatte man eine lange Phase mit nur ca. 20 täglichen Neu-Infektionen, und jetzt ist man wieder bei über 200 Neuinfektionen pro Tag.

Quelle

Prof Sadetzky, Leiterin des Gesundheitsdienst im Gesundheitsministerium sagt: “Wir haben beim Bildungssystem kleine Zugeständnisse gemacht, weil wir einfach daran glauben wollten, dass es klappt, auch wenn wir uns durchmogeln. Aber mit diesem Virus kann man nicht verhandeln. Und weiter “Was wir jetzt erleben ist eine zweite Welle. Was diese neue Welle jetzt charakterisiert ist, dass diese im ganzen Land verläuft” und nicht mehr mit besonders betroffenen Schwerpunkten. “Wir können keine speziellen Risiko-Gruppen mehr identifizieren”.

Der Auslöser dieser zweiten Welle waren wohl zu umfangreiche Schulöffnungen. Jetzt führt die Regierung eine landesweite Maskenpflicht ein und droht mit einem neuen Lockdown.

Dass auch bei uns in Deutschland nach den vielen “Öffnungen” Bewegung in die Entwicklung kommt kann man auch dann noch in den Daten sehen, wenn man den Tönnies Fall in NRW nicht beachtet. Ähnlichkeiten zur Israel Kurve sind wohl kein Zufall.

Quelle, Daten bis 20.6.

Das sieht man auch in der 7-Tage-Inzidenz der Bundesländer vom RKI: Nicht nur NRW und Berlin steigen, auch andere Bundesländer ziehen langsam nach oben:

Wenn ich mir diese Werte für die Bundesländer anschaue: der stabile Trend kommt seit Anfang Juni ins Wanken. All zu optimistisch bin ich nicht, dass wir eine zweite Welle vermeiden können. Diese 2. Welle wird in völlig anderer Form durchs Land gehen als die erste und auch andere Reaktionen erzeugen als im März, aber jeder der annimmt, da kommt nix mehr nach, hat wohl zu wenig die internationale Presse verfolgt: Das Virus sitzt am längeren Hebel.

Und inzwischen werden die Infizierten im Schnitt jünger: Der Anteil der unter-20-Jährigen an den Infizierten ist innerhalb von 8 Wochen von 7% auf fast 20% angestiegen (klar, vorher waren die Kinder ja alle zu Hause, weil die Schule zu war, da konnten die sich kaum anstecken). Dafür sind es immer weniger über 70 Jahren (und deswegen sinkt auch die Anzahl der Todesfälle).

Covid-19 willst das nicht haben! Insbesondere nicht jetzt!

Am Anfang der Corona-Pandemie ging es in der Diskussion noch sehr darum, dass ja “eh nur die Alten und Kranken sterben”, dass man auch mit “leichtem Verlauf” wochenlang schwer krank ist, auch wenn man jünger und fitter ist, haben die meisten irgendwie ausgeblendet.

Jetzt finden sich immer mehr Hinweise darauf, dass der Corona-Virus auch bei denen, die nicht daran sterben, erhebliche Erkrankungen und monatelange oder gar lebenslange Spätfolgen verursacht.

  • Risiko 1 – 1% Tod: Mittlerweile gibt es doch eine relativ gute Einschätzung der Todesfälle pro Infizierten mit Coronavirus (also einschließlich Dunkelziffer, alle Altersgruppen). Sie liegt zwischen 0,5 und 1%. (nebenbei: Herdenimmunität ohne Impfstoff ist daher ein völlig undenkbares Ziel, das führt uns ja Schweden auch gerade vor).
  • Risiko 2 – 15% der Infizierten muss im Krankenhaus behandelt werden, mit zum Teil unschönen Komplikationen (Quelle) und Langzeitschäden (Quelle).
  • Risiko 3 – Leichter Verlauf und trotzdem Lungenschäden und anderes Zeugs: Es mehren sich die Fälle von Langzeitschäden auch nach einem leichtem Verlauf und auch bei jungen, fitten Menschen. Bei bis zu 2/3 (!) der leichten Fälle sind Schäden in der Lunge oft noch nach Monaten zu sehen. “Mir sind solche Fälle inzwischen schon häufig begegnet”, sagt Stefan Schreiber, Direktor der Klinik für Innere Medizin I am Universitätsklinikum Schleswig-Holstein Campus Kiel im Spiegel. “Mitunter junge Menschen, die Wochen nach ihrer Infektion nicht einmal eine Treppe hochgehen können.” Covid-19 sei eine Krankheit, die das ganze System des Körpers und nicht nur die Lunge angreife, so Schreiber. Viele Organe würden schwer geschädigt – “und wir wissen zum jetzigen Zeitpunkt noch gar nicht, wie schwer und ob sie wieder regenerieren können”. (Quelle).
  • Risiko 4 – Auch ohne Symptome bleiben bei 95% der Infizierten in der Lunge Schäden zurück (Quelle), die man im Röntgenbild sehen kann.
  • Risiko 5 – Kurze Immunität: Es häufen sich Hinweise darauf, dass bei Infizierten die Antikörper-Menge nach Überstehen der Infektion auffallend schnell zurück geht. Was das eventuell für Immunität und Impfung bedeutet ist noch nicht verstanden.

Tomas Pueyo, der Autor des millionenfach geklickten “Hammer and Dance” Artikels schreibt:

Das Problem bleibt weiterhin, dass wir immer noch zu wenig wissen über die Krankheit. Und dass wir keine Medikamente haben, um die Krankheit erheblich abzuschwächen.

Sollte es also so kommen, dass der Impfstoff noch länger nicht kommt (2021+) und wir länger mit dem Virus leben müssen, dann wollen wir diese Krankheit wenigstens so spät wie möglich bekommen: wenn wir mehr Wissen haben, bessere Behandlung kennen und ein paar Medikamente gefunden sind. Und bis dahin sorgen wir durch das Vermeiden von Infektionen dafür, dass das Gesundheitssystem und die Gesundheitsämter die Lage noch beherrschen können.

Die Regeln bleiben die gleichen: Maske, Abstand, Menschenansammlungen meiden, insbesondere in Innenräumen

Die aktuelle Schätzung lautet, dass ca. 150.000 Menschen in Deutschland aktiv Infizierte sind, also ansteckend sein können. Einer von 1000. In meiner Heimstadt Fürth also 130 von 130.000. Das klingt nicht viel, aber das Risiko ist eben nicht null.

Ich werde mir ein paar Aktivitäten bis auf weiteres verkneifen, selbst wenn sie wieder erlaubt sein werden/würden: Kino, Theater, Konzerte, Essen gehen (innen), Versammlungen und Sport/Aktivitäten in Innenräumen. Sowie Hände schütteln oder Menschen umarmen. Klar ist das Sch**e, aber… siehe oben.

Was man immer ein bisschen im Hinterkopf haben kann: Nicht die Nähe zu einem Infizierten ist entscheidend, sonden die aufgenommene Menge der Viren und damit meist auch die zeitliche Länge der Begegnung (Quelle). Wenn ein infizierter Jogger nur mit einem Meter Abstand an mir vorbeirennt werde ich höchstwahrschenlich nicht angesteckt, aber 10 Minuten mit 2 m Abstand im schlecht belüfteten Innenraum können genügen – sogar mit Maske durch die Aerosole in der Luft. Also: Fenster auf, Leute!

Aber man kann nicht alles vermeiden. Umso wichtiger ist es dann, dass man dann wenn Menschen zusammen sind gute Regeln hat und diese auch umsetzt/beachtet/durchsetzt. Wenn ein Laden/Lokation o.ä. sich offensichtlich nicht darum kümmert, dass die Gäste/Kunden genügend Abstand halten (bzw. halten können) und dass alle Mundschutz tragen (auch über der Nase!), dann wird dieser Laden auf mich vorerst verzichten müssen.

Bitte installiert die Corona-Warn-App

Eines der Werkzeuge gegen eine zweite Welle ist die Corona-Warn-App der Bundesregierung. Und wir in Deutschland haben vielleicht eine der besten Apps der Welt von unserer Regierung bekommen: Es werden nur sehr wenige Daten erfasst, und das anonymisiert. Die Daten werden nur auf Deinem Handy gespeichert (also keine zentrale Datenspeicherung). Und der Quellcode liegt offen, sodass die Fachleute die Qualität und Funktion überprüfen konnten. Was die auch getan haben und deren Feedback zu Details der Programmierung wurde sogar bereits in die App übernommen. Vor 6 Monaten wären solche Details für ein Regierungsprojekt mit der Telekom/SAP praktisch undenkbar gewesen.

Sogar die Nerds des sonst als sehr regierungs-kritisch bekannten Chaos Computer Club haben nichts an der App auszusetzen: “Da kann man nicht meckern”, … . Übersetzt heißt das so viel wie: “Alle Achtung, das ist ja mal richtig gut geworden.” So ähnlich darf man Linus Neumann interpretieren, wenn er sich zur deutschen Corona-App äußert. Niemals würde er als Sprecher des Chaos Computer Club (CCC) zum Download der App aufrufen. “Wir haben aus grundsätzlichen Erwägungen noch nie ein Produkt oder eine Dienstleistung empfohlen”, sagt er ZDFheute. Wohl aber würde er vor der App warnen, sollte er Bedenken haben. Eine solche Warnung aber spricht Neumann nicht aus. Was für ein Lob.” (Quelle).

Auch die Verbraucherzentrale befürwortet die App.

Es gibt praktisch keine validen Argumente gegen die App

Die Macher der App haben es tatsächlich geschafft, dass es keine validen Argumente gegen die Nutzung der App mehr gibt (außer man orientiert sich an Verschwörungstheorien einiger Verwirrter).

Um das deutlich zu sagen: Jeder, der auch nur so simple Apps wie Email-Programme, Messenger aller Art (WhatsApp, Telegram, Signal), Instagram, Twitter oder Google Maps auf seinem Handy verwendet (und das wäre dann wohl JEDER), gibt Apple/Google und dem App-Hersteller ein Vielfaches mehr an persönlichen Informationen preis als der Corona Warn App.

Hier ein Vergleich der Computer-Zeitschrift Chip zwischen Whatsapp und der Warn-App:

Bitte helft mit! Installieren! Jetzt!

Stand gestern waren es schon 12.6 Millionen Downloads, das ist schon ein Viertel aller Handys in Deutschland, auf denen die App laufen könnte.

 Logo Google Play Store
Direkt zum App-StoreDirekt zum Google-Play-Store
Foto: Photo by cottonbro from Pexels

Author: Dirk Paessler

CEO Carbon Drawdown Initiative -- VP Negative Emissions Platform -- Founder and Chairman Paessler AG

One thought on “Kleine aktuelle Faktensammlung: Wir müssen Corona weiterhin ernst nehmen – und bitte installiert die Corona-Warn-App”

  1. Respekt, wieviel Mühe du dir mit dem Artikel gemacht hast.
    Ja, ich kann dem Beitrag eigentlich auch nur zustimmen. *Thumbs-up*.

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