Ein Blick auf die Entscheidungen von gestern, und was man mit einem Modell daraus für Zukunfts-Szenarien herleiten kann.
Die Deutschen machen gerne Regelungen (?)
Gestern wurden eine Menge Entscheidungen gefällt… Ruhmvoll ist das Ergebnis nicht. Deutschland behandelt die Pandemie wie das Steuersystem: Welches andere Land baut so komplizierte Regelungen mit unterschiedlichen “Trigger-Dimensionen” (nach Zeit *UND* nach Inzidenz), und dann noch mit Hintertürchen hier&da?
Wenigstens wissen wir jetzt, dass es nicht sofort zu massiven Lockerungen kommt (das wäre schlimm geworden), und dass die weiteren Öffnungen an bestimmte, eher zu hohe Inzidenzwerte gekoppelt sind.
Für die Öffnungen ab 8.3. sind nur 137 Landkreise unter 50 bereit und 187 weitere liegen zwischen 50 und 100.

Damit wird sich also ab 8.3.2020 der R-Wert weiter erhöhen, nachdem er jetzt gerade knapp unter 1 oder schon darüber liegt. Dabei steigen jetzt schon in 60% der Landkreise die Inzidenzen an.
Wie damit 14 und 28 Tage später eine NIEDRIGERE Inzidenz erreicht werden soll um die nächste Runde der Lockerungen “auszulösen” bleibt vorerst ein Geheimnis. Man hat – wie bei der letzten Runde, wo man die (berechenbar unerreichbare) 35 als Auslöser für Öffnungen eingebaut hat, wieder Entscheidungen getroffen, die größtenteils in näherer Zukunft gar nicht kommen werden, weil die Inzidenzen steigen.
Immerhin, jetzt sollen die Schnelltests dann doch kommen. Ich habe dies vorsichtig so eingerechnet, dass wir mit Schnelltests 20% der Neuinfektionen vermeiden können ab 1.4.2021.
Aus diesen Überlegungen möchte ich folgende Szenarios vorstellen:
- Szenario 1: Wir lockern nach dem 8.3. nicht weiter, ziehen den Lockdown weiter durch und halten den R-Wert des Wildtyps unter 1.
- Szenario 2: Wie Szenario 1, aber mit Schnelltests ab 1.4.
- Szenario 3: Wie lockern am 8.3. und am 22.3. jeweils so, dass sich der R-Wert des Wildtyps um 0,1 erhöht
- Szenario 4: Wie lockern am 8.3., 22.3. und 5.4. jeweils so, dass sich der R-Wert des Wildtyps um 0,1 erhöht
- “Böses” Szenario 5: Wie lockern am 8.3., und dann am 22.3. so, dass sich der R-Wert des Wildtyps auf 1,2 erhöht
- “Böses” Szenario 6: Wie lockern schon am 8.3., dass sich der R-Wert des Wildtyps auf 1,2 erhöht
- “Böses” Szenario 7: Wie lockern schon am 8.3., dass sich der R-Wert des Wildtyps auf 1,2 erhöht – und machen dann einen harten Not-Lockdown
Anmerkungen zu den Graphen
Alle folgenden Graphen sind mit meinem Prognose-Modell V3.0 erstellt. Für die nächsten 8 Wochen dürften die Ergebnisse schon ganz gut belastbar sein. Bis Mai wird es sicher noch so viele Veränderungen geben (besser & schlechter), dass die Kurven nicht genau so eintreffen werden, aber der weitere Verlauf ist ein Indiz dafür, wo es hingeht bis zum Sommer.
Szenario 1: R des Wildtyps weiter unter 1 halten
Wenn der R-Wert des Wildtyps bei 1 liegt, liegt der R-Wert für die Mutationen bei 1,35 (=fast Verdopplung jede Woche).
In diesem Szenario laufen wir im Mai in eine neue Welle, die die Krankenhäuser und Intensivstation nocheinmal so stark belasten wird, wie an Weihnachten – nur mit viel jüngeren Patienten (die wahrscheinlich länger im Krankenhaus kämpfen, weil sie nicht versterben, also ergibt sich sogar eine höhere Belastung). Die Anzahl der Todesfälle bleibt aber überschaubar.
Anfang Juni wären wir dann übrigens beim Einstieg in die Longcovid-Strategie. Aber das will das politische Deutschland nicht…
Szenario 2: Wie Szenario 1, aber mit Schnelltests ab 1.4.
Die dritte Welle aus Szenario 2 wird vermieden! Sehr gut, die Schnelltests helfen uns massiv! Auch die Kliniken werden nicht überlastet.
OK. Lasst uns in den nächsten Szenarios mehr aufmachen!
Szenario 3: Wie lockern am 8.3. und am 22.3.
Mit den Öffnungen am 22.3. (RWild steigt erneut um 0,1) baut sich im Mai wieder eine Welle auf für die Kliniken, aber niedriger als an Weihnachten.
Szenario 4: Wie lockern am 8.3., 22.3. und 5.4.
Jetzt sind wir wieder bei einer Welle in den Krankenhäusern im Mai, die dem Ansturm an Weihnachten mindestens ebenbürtig ist.
“Böses” Szenario 5: Wie lockern am 8.3. und am 22.3. auf RWild=1,2
Alleine schon Schulöffnungen dürften mehr als +0,1 auf den R-Wert drauflegen, dieses Szenario ist also durchaus realistisch. Das Ergebnis wäre eine völlige Eskalation in nur 4 Wochen. Der Gesamt-R-Wert würde – trotz Impfwirkung und Schnelltestwirkung – bei 1,5 liegen, etwa eine Verdopplung jede Woche. Es würde im Mai eine massive Welle über die Krankenhäuser/Intensivstationen hereinbrechen, wir hätten nochmal 20.000 Tote (diesmal aus den U60) und 0,8 Millionen Longcovid Fälle.
Trotz Impfen und Schnelltests. Die Situation im März ist äußerst fragil.
“Böses” Szenario 6: Wie lockern am 8.3. auf RWild=1,2
Dieses Szenario beschreibt was passiert, wenn uns die Öffnung am nächsten Montag misslingt, und wir gleich zu viel öffnen. Es würde in die vollständige Eskalation führen: Im Mai würden 28.000 Intensivbetten benötigt, es würden nochmals fast 50.000 Tote beklagen zu sein und 1,2 Mio Longcovid-Patienten.
“Böses” Szenario 7: Wie lockern am 8.3. auf RWild=1,2 plus Notlockdown
Beim vorherigen Szenario 6 würden wir Ende März sehr schnell merken, dass die Inzidenz auf mehrere Hundert steigt. Vom 5.4. an müssten wir einen Not-Lockdown mit R=0,8 (schärfer als Januar/Februar) machen, und die Kliniken/Intensivstationen würden trotzdem noch eine massive, wenn auch kurze Welle abbekommen.
Ohne Lockdowns geht es bis zum Sommer nicht
Egal wann man den RWild Wert auf 1,2 oder mehr stellt, solange nicht fast alle Erwachsenen geimpft sind, führt dies sofort wieder in den nächsten Not-Lockdown. => Jojo-Lockdown!
Aber: Haben Sie es bemerkt?
Sobald wir mehr öffnen als nur am 8.3.2020 steigt die Inzidenz (blaue gepunktete Linie beim Graphen in der Mitte) auf Werte von 200 oder mehr, und das schon Anfang April. Damit würden dann in vielen Regionen alle gestaffelten Regelungen wieder zurückgenommen werden müssen. Auch dies führt zu einer Jojo-Maßnahmen Situation!
Können wir dann im August endlich alle Maßnahmen lockern?
Zum Schluss noch ein abschliessendes Szenario: Was passiert, wenn im August alle Erwachsenen geimpft sind (Nur U18 sind noch ungeimpft), und wir dann alle Maßnahmen fallen lassen?
Dann steigt R auf den R0-Wert von Corona (>2,8) und es gäbe eine massive Welle unter den Kindern und Jugendlichen, nach meinem Modell sogar so stark, dass es eine erneute massive Welle in den Intensivstationen geben könnte.
Das ist natürlich jetzt schon sehr weit weg und mein Modell ist sicher nicht gut genug (und es wird noch viele MP-Konferenzen geben bis dahin), um quantitativ brauchbare Zahlen zu haben. Aber um sich das qualitative Prinzip klar zu machen, ist das schon geeignet.
Erst wenn (fast) alle Bevölkerungsgruppen geimpft sind, können wir alle Maßnahmen fallen lassen.
Also: IMPFEN IMPFEN IMPFEN
2 thoughts on “Corona: Nach den Entscheidungen: Wie könnte es weitergehen (Szenarien aus Vorhersage-Modell)?”
Comments are closed.