Seit März entwickle ich ein Berechnungsmodell, das versucht, den weiteren Verlauf der Corona-Pandemie für einige Wochen in die Zukunft abzuschätzen und das inzwischen in Version 11 vorliegt. Die Quelldateien des sich ständig verändernden Berechnungsmodells stelle ich als Google Sheet hier in diesem Blog zur Einsicht zur Verfügung.
Die ständige Veränderung entsteht zum Einen durch das Einpflegen von ständig neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen und zum Anderen durch einen ständigen Lernvorgang durch den allwöchentlichen Abgleich der Prognosewerte mit den einlaufenden neuen Realwerten.
Im Rückblick auf die letzten 4 Monate habe ich die Inzidenzverläufe aus den öffentlichen Dateien der letzten 9 Modellversionen in eine Grafik gezeichnet, sodass man sie mit dem tatsächlichen Verlauf vergleichen kann.
Bei einer Analyse kann man folgendes feststellen:
- Die Zeitpunkte der beiden Schlüsselaugenblicke der letzten 3 Monate, nämlich den Knick nach unten im April sowie den Knick nach oben Ende Juni, wurden zeitlich ziemlich genau vorausberechnet.
- Jeweils für die kommenden 6-8 Wochen liegen meine Modellberechnungen gut in der Nähe des sich dann tatsächlich ergebenden Verlaufs — insb. wenn man bedenkt, dass wir hier von einem Amateur-Modell sprechen.
- Mit einer Ausnahme: Der Absturz der Inzidenz ab Ende Mai und im Juni wurde nicht korrekt berechnet – und damit auch die Inzidenzen im Juni. Aber da bin ich in guter Gesellschaft, auch viele Profi-Modelle hatten das nicht korrekt vorhergesagt.
- Inzwischen habe ich meine Modellparameter entsprechend neu getrimmt (u.a. die Wirkung der Saisonalität auf 30% und Wirkung von Schnelltests auf 8%), sodass das Modell jetzt einen korrekteren Verlauf berechnet.
- Der Anstieg einer Welle ist anscheinend leichter zu berechnen als der Abstieg.
Was hier deutlich wird: Die Pandemie ist durchaus berechenbar. Es ist mit genügend Genauigkeit möglich aus der aktuellen Situation unter Betrachtung der wahrscheinlichen Verhaltensänderungen der Bevölkerung den weiteren Verlauf für einige Wochen abzusehen.
Wenn mein Modell daneben lag, dann eher zu unseren Gunsten, dann wurde die Situation viel besser als berechnet. Die Worst Case Abschätzung des Modells funktionierte besser als die Best Case Abschätzung.
Oder anders gesagt: Wir stehen dem Verlauf der Pandemie nicht schutzlos gegenüber: Durch Modellberechnungen kann man absehen, welche Auswirkung Verschärfungen oder Lockerungen haben und wann man lockern darf oder verschärfen muss. Wenn man will.
Modellierer Dirk Brockmann wird zitiert mit dem Satz: “Jedes Szenario, das aber länger als drei bis vier Wochen versuche in die Zukunft zu schauen, sei im Grunde zum Scheitern verurteilt.” Damit dürfte er recht haben. Und doch sind Modellrechnungen immer noch besser als raten oder hoffen&abwarten.
Impfeuropameister Malta springt in 7 Tagen von 17,4 (8.7.) auf 206,6 (15.7.). Das lässt mich zweifeln ob es genügt, mit Mittelwerten zu rechnen.
LikeLike