Modellrechnung: Ausblick auf die nächsten 4 Wochen und Rückblick auf Modell vom 9.4. nach 5 Wochen

Vorab: Beim Lesen einiger (z.T. unterirdischer) Kommentare fällt mir immer wieder auf, dass einige Leser den Sinn von Modellen/Szenarien und die Arbeitsweise grundlegend nicht verstanden haben (und folglich eher unpassende Kommentare abgeben).

Mir geht es darum die _möglichen_ weiteren Entwicklungen aufzuzeigen, von denen im Voraus eh keiner weiß, welche sich tatsächlich einstellt. Dies bedient Funktion 1: Man kann sich auf die _möglichen_ Entwicklungen einstellen, gute wie schlechte.

Damit das einen Sinn macht sollte eine gute Modellrechnung mit ihrem Szenario-Bündel in den nachfolgenden Wochen jeweils die tatsächliche Entwicklung "enthalten", möglichst mittig, was hier erneut erfolgreich gelungen ist – nur die Verstorbenenzahlen waren zu pessimistisch.

Für Inzidenz, ITS-Belegung und Hospitalisierungen liegen die tatsächlichen Zahlen im unteren Drittel des Bündels der Szenarien und nahezu genau auf der Kurve eines Szenarios. Nur bei den Verstorbenen lag das alte Modell um Faktor 1,5-3 zu hoch.

Funktion 2 ist, dass man 1-2 Wochen nach Aufstellen der Modellrechungen ggf. erkennen kann, welches Szenario am besten zum sich ergebenden Verlauf passt, was oft bedeutet, dass der weitere 4-6 Wochen-Verlauf dann auch sehr nahe an diesem Szenario liegt.

Genau dies ist mit dem "pessimistischen" Szenario vom 9.4. gelungen, das lag für Inzidenz und Patientenzahlen sehr nahe an der Realität (inkl. der Meldelücke der Feiertage). Mitte April waren also die aktuellen Zahlen von heute gut abschätzbar.

Das neue Modell von heute (13.5.) enthält zur Zeit nur ein Szenario, das den Verlauf der letzten 2-3 Wochen einfach nur fortschreibt, weil ich erstmal keine starken Schwankungen des Verhaltens erwarte.

Ab Mitte/Ende Juni könnten durch neue Varianten, die ggf. stärker ansteckend/stärker immun-escape-nd sind und damit gegen den sinkenden Trend der anderen Varianten wachsen, der sinkende Gesamt-Trend aufgehalten werden.

Meines Erachtens habe wir im Moment aber keine belastbaren Zahlen (Sequenzierungsdaten), die es ermöglichen, darüber schon jetzt eine brauchbare Aussage zu machen.

Auch ohne neue Varianten wird wohl ab Spätsommer (Aug/Sep) durch die zurückkehrende Saisonalität und den Immunschwund nach Impfung/Infektion der R-Wert wieder ansteigen und sich eine Herbst/Winterwelle aufbauen, mit Omikron und/oder Delta.

Bemerkenswert finde ich das beständige Ansteigen der Wellen-Peaks in dieser Grafik. Impfungen und Immunität haben die relative Krankheitslast soweit gesenkt, dass wir beständig mehr Fälle zugelassen haben, ohne das alles zusammenbricht (Aber: Longcovid…? Hust).

In meinem Modell entsteht im Herbst neue Welle, die die Gesamtinfektionszahlen mit Omikron auf über 100% je nach Altersgruppe treibt, d.h. das Modell erwartet viele 2./3.-Infektionen und entsprechende Verhaltensänderungen ab ca. Ende September, die dann die Welle bremsen werden.

Die Folgen für Kliniken/Gesundheitssystem könnte man kleiner halten, indem man nochmal eine Impfkamagne (Erst-Impfungen und Booster) startet und insb. die Älteren, die die höchsten Klinik-Risiken haben, davor zu schützen. Davon ist aber wenig zu sehen.

Wie gesagt, solange uns keine fiese Mutation ereilt (u.a. auf BA.4/5 achten!) könnten wir in meinen Modellrechnungen ohne Sommer-Welle durchkommen. Nutzen wir die warme Zeit! Mit steigender Saisonalität und/oder neue Varianten bleibt es fraglich, wie es uns im Herbst erwischt.

Originally tweeted by Dirk Paessler (@dpaessler) on May 13, 2022.

Author: Dirk Paessler

CEO Carbon Drawdown Initiative -- VP Negative Emissions Platform -- Founder and Chairman Paessler AG