Wie gut wirkt eigentlich der Winter-Lockdown? Naja….

Seit 16.12.2020 haben wir jetzt einen “harten Lockdown” in Deutschland, zumindest hat ihn die Politik so genannt. Und… Wie ist denn die Wirkung so?

Das ist aktuell gar nicht so einfach zu sagen, weil in den letzten 3 Wochen die Zahlen durch die Feiertage usw. nicht zur Einschätzung zu gebrauchen waren. Aber mit einem Trick können wir heute zumindest eine erste Abschätzung machen:

Der drei-Wochen-Trick

Beim ersten Lockdown im April/Mai hatten wir die Anzahl der Neuinfektionen jede Woche um ca. 30% abgesenkt. Alle 3 Wochen gingen die Neuinfektionszahlen um ca. 70% runter, wenn man z.B. jeweils die Wochentage im Abstand von 21 Tagen miteinander vergleicht.

Um abzuschätzen, was wir seit dem 16.12.2020 geschafft haben, sollten wir aktuell auf diese 3-Wochen-Betrachtung der Wochentage schauen, weil die Infektionszahlen über Weihnachten und Neujahr sehr instabil waren (weniger Tests, viele Meldeverzögerungen) und zwischendurch keine gute Einschätzung der Lage erlaubten.

Für diese Betrachtung stehen uns aber bisher nur 3 belastbare Tageswerte zur Verfügung: Die Zahlen in dieser Woche würde ich ab Dienstag 12.1. als verlässlich ansehen. Schon bei den Zahlen ab Freitag den 15.1. würden wir aber im 3-Wochen-Vergleich mit dem ersten instabilen Tag, dem 25.12.2020, vergleichen.

Also bleiben uns nur die 3-Wochen-Vergleiche vom 12.1. bis 14.1. um eine Einschätzung zu bekommen:

Tagesdaten von @risklayer

Was klar zu sehen ist: Wir haben das Wachstum von +30% bis +50% in den Tagen vor Weihnachten klar gebrochen und sind jetzt bei einem Absinken der Neuinfektionszahlen um -25% bis -30% angekommen. Das ist eine klare Wirkung. GUT. Die Intensiv-Stationen sind etwas weniger belastet und auch die Todeszahlen scheinen aufhören zu wachsen (aber im Schnitt 870 Tote pro Tag bleibt unerträglich).

Aber….

ABER wir sind WEIT weg von der Wirkung des Lockdowns im Frühjahr, wo wir über mehr als 2 Monate lang jeweils -70% alle 3 Wochen geschafft hatten. Jetzt im Winter schaffen wir anscheinend in 3 Wochen nur das, was wir im Frühjahr in einer Woche geschafft hatten. Statt -70% haben wir nur -30% erreicht.

Daten von @risklayer, eigene Berechnungen

Lockdown zu lasch? Oder Virus zu schnell?

Die Gründe liegen wohl irgendwo in einer Kombination aus:

  • Ein zu “lascher” Lockdown (in dieser Woche nur 14% (!) weniger Mobilität als 2020 => keine Home-Office-Pflicht, zu viele Menschen im ÖPNV, keine Kontrolle von Grenz-Quarantäne-Regeln, u.v.a.m.)
  • Nachwirkungen von Familienbegegnungen an den Weihnachtstagen, die neue Ansteckungsketten erzeugt haben.
  • Und: Sind die neuen, viel ansteckenderen Mutationen (es gibt schon mehrere Varianten davon auf der Welt) schon viel mehr in Deutschland unterwegs als wir denken (was wir mangels breiter Sequenzierung nicht wissen)? Das könnte dann auch den unerwarteten Anstieg ab Anfang Dezember erklären (bei konstanten Lockdown-Regeln!).

Fakt ist: Mit dieser “Performance” wären wir am 31.1.2020 – am z.Zt. geplanten Ende des aktuellen Lockdowns – bei einer landesweiten Inzidenz von ca. 129, wie die untere Grafik zeigt (Inzidenz in blau) – viel zu hoch!

Mit einer schwarzen Linie habe ich eingetragen, wie sich die Inzidenz wohl entwickelt hätte, wenn der Winterlockdown so erfolgreich gewesen wäre, wie der Lockdown im Frühjahr 2020 (wie in meinem Blogpost vom 13.12.2020 berechnet, den Spitzenwert vom 24.12.2020 habe ich dabei genau getroffen). Unser Plan bzw. der Plan der Regierung hat also nicht geklappt:

In Türkis sind die “unklaren Feiertage” markiert, der gelbe Bereich zeigt meine Prognose. Daten bis 16.1.2021 von Risklayer.

Oder anders gesagt: *SO* bekommen wir das Virus nicht in den Griff – und können keine “Zero-Covid”-Situation erreichen. Geschweige denn, dass wir damit die aufkommenden, viel ansteckenderen Mutationen im Griff haben würden. Wenn es damit losgeht, geht es sehr plötzlich los, wie man UK, Irland, Tschechien, Slovenien und seit wenigen Tagen auch Spanien sehen kann, was dann harte Eingriffe in den Alltag erfordert:

Haben wir wieder das Glück, dass es bei uns wie im Frühling ein bisschen später losgeht als bei einigen Nachbarn und wir können noch etwas tun? Wenn, dann haben wir nur wenige Tage, um einzugreifen.

Denn: Wir müssen davon ausgehen, dass diese neuen Mutation schon bei uns unterwegs sind. Wenn wir es – wie jetzt gerade – schaffen, ein Absinken der Neuinfektionen zu erzielen, könnte sich darunter trotzdem bereits ein Wachstum der neuen Virus-Varianten “verstecken”, die dann irgendwann die volle Kontrolle übernimmt.

In Irland ist der Anteil von B117 an den positiven Tests in nur vier Wochen von 9% auf 45% hochgegangen. Wir in Deutschland fliegen unterdessen sozusagen im Blindflug: Um die Entwicklung der Mutationen zu beobachten müsste Deutschland mind. 5.000 positive Proben in der Woche sequenzieren, aktuell sind es nur ein paar 100 pro Woche.

Die sich schneller verbreitenden Varianten werden wohl die Pandemie übernehmen, so schreibt der Epidemiologe Adam Kucharski: “Das jüngste Auftreten von Varianten mit mehreren gemeinsamen Mutationen an den Spikes lässt uns eine konvergenten Evolution zu einem neuen Phänotyp befürchten, was möglicherweise mit einer erhöhten Neigung zur wiederholten Infektion von Individuen verbunden ist.”

Mit diesen Beobachtungen erscheint mir die Initiative der Bundesregierung für weitere Verschärfungen völlig nachvollziehbar und “alternativlos”. Wir müssen so bald wie möglich von den hohen Neuinfektionszahlen runter.

Können wir als Gesellschaft uns bitte endlich für #zerocovid entscheiden? Nach einer eindrücklichen und lesenswerten Begründungskette für #zerocovid schreibt Dr. C. Werner hier: “Fakt ist, dass ein echter, harter Lockdown analog zu den von Yaneer Bar-Yam und anderen geäußerten Vorschlägen uns viel schneller wieder in eine Art Normalität befördert, als alles andere. Er rettet unzählige Leben.”

Author: Dirk Paessler

CEO Carbon Drawdown Initiative -- VP Negative Emissions Platform -- Founder and Chairman Paessler AG

5 thoughts on “Wie gut wirkt eigentlich der Winter-Lockdown? Naja….”

  1. Wieder einmal danke für die sehr gut nachvollziehbare Zusammenfassung. Ich hatte vorher das Gefühl unser momentaner lockdown bringe gar nichts, da die Zahlen nicht runter gehen. Hatte aber nicht bedacht, dass ein Stoppen der Beschleunigung auch schon ein (Teil-)Erfolg ist.

    Es würde mich trotzdem interessieren warum es denn nicht schneller runter geht. Sind die Menschen zu wenig diszipliniert oder wirken schon die Mutationen?

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    1. Im Winter, bei niedrigeren Temperaturen ist die Gefahr durch Tröpfcheninfektion viel höher. Töpfchen mit Viren halten sich wesentlich länger in der Luft. Deswegen sollte man auch im Freien, bei der Begegnung mit Menschen immer eine ffp2 Maske tragen.

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  2. Danke für eine Darstellung, die nicht offensichtlich nur versucht viele Clicks zu generieren. Das ist keine Ironie, auch wenn es ein bisschen so klingt. Eine neutrale Herangehensweise, die nicht davon angetrieben ist Geld mit Clicks zu verdienen ist selten im Moment.

    Ich glaube, dass ein ganz wesentlicher Punkt bei der Suche nach Ursachen für die Unterschiede zwischen dem letzten Lockdown und diesem fehlen: “Das Wetter”
    Am 21.12. war Wintersonnwende und durch die geringe Sonneneinstrahlung ist das Vitamin D Level der Bevölkerung in Zeitraum Dezember – Januar niedriger als Ende März/Anfang April (als der erste Lockdown war). Das schwächt das Immunsystem.
    Außerdem ist es kälter und glatter und es sind daher mehr Leute mit den Öffis unterwegs und weniger Leute mit dem Rad und die erlaubten Treffen finden häufiger indoor statt outdoor statt.

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