Modell-Update: Bremsen wir Omikron zur Welle oder wird es doch eine Wand?

Quasi täglich lernen wir im Moment etwas über Omikron. Das geht so schnell, dass ich in den letzten 2 Wochen mehrfach pro Woche Modellupdates veröffentlicht habe.

Daher der Hinweis: Die folgende Modellrechnung basiert auf den bisher bekannten Basisdaten, ist eine Modellrechnung mit immer noch vielen vielen Unsicherheiten und kann sich jederzeit ändern – besser oder schlechter – wenn neue Daten veröffentlicht werden. Modellrechnungen sind nicht perfekt, aber es ist besser als raten oder hoffen.

Omikron

Omikron hat schon in einigen Ländern zu jeweils sehr ähnlichem, schnellem Wachstum geführt:

Nur bei uns geht es noch bergab. Nach den folgenden Modellrechnungen dürfte sich das aber in dieser Woche ändern — auch wenn wir das aufgrund der Feiertage-Daten-Lücke nicht sofort sehen können.

Zwei neue Datensätze sind jetzt ins Modell eingeflossen: Wir haben erste brauchbare Erkenntnisse aus UK darüber, wie die Impfstoffe bei Omikron wirken (oder halt eben eher nicht), und vom RKI gibt es brauchbare Daten über die in Deutschland bereits erfolgte Verbreitung von Omikron im Laufe des Dezembers.

Zum Schutz der bisherigen Impfungen und Booster gegen Ansteckung bzw. symptomatische Erkrankung bei Omikron habe ich gestern diesen Thread veröffentlicht:

Die Kern-Aussage ist: Bestenfalls 30% der Bevölkerung ist statistisch in der Gesamtsicht gegen Ansteckung geschützt. 60-70 Millionen können noch angesteckt werden, wir haben also ein Problem mit einen Variante, die nochmals ansteckender ist als Delta:

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Dann gibt es vom RKI erstmals repräsentative Daten über die Ausbreitung von Omikron, die Cornelius Römer aufbereitet hat:

Wenn ich in meinem Modell für Omikron eine Generationszeit von 4 Tagen und einen R-Wert annehme, der um 50% über dem von Delta liegt, und die o.g. Impfwirkungen berücksichtige, dann folgt das Modell mit dem Anteil der Omikron-Infektionen diesen RKI Daten gut:

Darauf basieren nun auch die folgenden Modellrechnungen.

4 Szenarien bis Februar

Vier Szenarien habe ich gerechnet:

  • Szenario 1: Wenig Gegenwehr: Wenn wir – ausgehend vom aktuellen Verhalten in der Vorweihnachtszeit – weiterhin nicht viel anders verhalten, kommt die Omikron Wand.
  • Szenario 2: optimistischer Bürgerlockdown: Aufgrund der steigenden Zahlen ändern die Menschen ihr Verhalten und aufgrund der vielen Erkrankungen, die Menschen zu Hause bleiben lassen. Damit bremsen wir die Welle zunehmend selbst.
  • Szenario 3: koordinierter Lockdown 3.1.: Zum 3.1. gibt es eine koordinierten, staatlichen Lockdown, der den R-Wert ab 3.1.2022 um ca. 25%-30% senkt.
  • Szenario 4: koordinierter Lockdown 10.1.: Eine Woche später, zum 10.1., gibt es eine koordinierten, staatlichen Lockdown, der den R-Wert ab 10.1.2022 um ca. 25%-30% senkt.

Das sieht dann alles wie folgt aus:

Im Modell liegen die ITS-Belegung und die Hospitalisierungen höher als von DIVI/RKI gemeldet, dies liegt an der Überlastung des Gesundheitssystems (Infos dazu).

Beim Szenario 4 mit einem Lockdown spätestens zum 10.1.2022 (grüne Linie) können wir die ITS-Belegung und Hospitalisierungen deutlich unter dem Top-Niveau der Delta-Welle halten. Im Szenario 3, mit dem Lockdown eine Woche später (lila), liegen die Belastungen über der Delta-Welle. Ohne Lockdown liegen die Belastungen bei den anderen Szenarien viel höher als bei Delta.

Wie man in diesem Lockdown schnell zu einer Bremswirkung von 25-30% zusätzlich zu unserem Verhalten vor Weihnachten kommt, ist mir auch nicht klar. Ich mache hier Mathematik, keine Politik. Aber der gleichzeitige Normalbetreib von Schulen in Präsenz und gleichzeitig von Büros, Gastro und Handel scheint mir damit nicht möglich zu sein. Ich beneide die Menschen nicht, die da jetzt Entscheidungen fällen müssen.

Fazit: Wenn jemand ohne Lockdown durch den Januar mit Omikron kommen will, darf er/sie mir das gerne mit seiner Modellrechnung vorrechnen, wie er das machen will, und welche Konsequenzen er/sie damit denkt in Kauf zu nehmen.

Apropos: Omikron ist “milder”

In meinem Modell ergeben sich ganz von alleine niedrigere Quoten für Hospitalisierung, ITS und Tod obwohl ich davon ausgehe, dass Omikron genauso krank macht wie Delta.

Der Grund: Der Anteil der Geimpften an den Infizierten steigt deutlich an und diese sind durch die Impfungen gegen schwerere Verläufe geschützt. Das senkt die Quoten. Aber selbst wenn diese Quoten nochmals sinken sollten, bei den Szenarien ohne Lockdown ist der Multiplikator der Infektionen weiterhin zu gross, um “mild” durch die Omikron-Wand-oder-Welle zu kommen.

Anmerkung: Die Case-Fatality-Rate vom RKI ist im November höher als im Modell, weil mein Modell weiter von “optimaler Versorgung” ausgegangen ist, in der Realität haben wir das aber durch Überlastung des Gesundheitssystems nicht mehr geschafft (man sieht das auch daran, dass die DIVI ITS-Rate unter dem Modell liegt im November).

Annahmen/Quellen

  • Alle Berechnungen wurden mit Version 32 meines Modells erstellt.
  • verwendete Impfraten siehe Twitter-Thread über Booster-Wirkung.
  • Eine Beschreibung einer älteren Version des Modells gibt es hier, das muss ich mal aktualisieren. Auch dieser Artikel enthält noch Infos zum Modell.
  • Dass sich die Case-Fatality-Rates deutlich erhöhen bei Überlastung des Gesundheits-Systems wird nicht berücksichtigt.
  • Ausgang der Welle wurde nicht modelliert, R Wert bleibt unten bis Frühjahr

Author: Dirk Paessler

CEO Carbon Drawdown Initiative -- VP Negative Emissions Platform -- Founder and Chairman Paessler AG